Historische Darsteller gedenken an das Gefecht bei Lüneburg am 2. April 1813
Pünktlich zum 210. Jahrestag des Gefechtes bei Lüneburg am 2. April 2023 trafen sich am Lüneburger Johanna-Stegen-Denkmal historische Darsteller in Uniformen des Leichten Bataillons Lüneburg und des französischen 8. Linienregiments (8ème Régiment de Ligne), um den Toten des Gefechtes und der Befreiung Lüneburgs von den Truppen des französischen Kaisers zu gedenken.
Im Frühjahr 1813 verließen die Franzosen Hamburg – und zogen durch Lüneburg. Am 18. März zogen die letzten Franzosen auch aus unserer Stadt ab – in Lüneburg wurde „God save the king“ gesungen, am 21. März ritten die ersten russischen Kosaken durch das Bardowicker Tor ein. Am 27. März rief u.a. Bürgermeister Krukenberg zur Befreiung Deutschlands auf. Am 31. März traf ein Bote des in russischen Dienst übergetretenen deutsch-englischen Generals Freiherrn von Dörnberg am Altenbrückertor ein. Viele Lüneburger, insbesondere diejenigen, die zur Befreiung aufgerufen hatten, flohen aus der Stadt Richtung Lauenburg und Hamburg. Noch bevor die Truppen Dörnbergs in Lüneburg eintrafen, wurde Lüneburg am 1. April 1813 durch ein Korps von Morand besetzt – die Bürgerwehr leistete Widerstand, in der Stadt kamen 23 Personen bei den Schießereien ums Leben. Der Bürger Friseur Spangenberg und der Arbeiter und Einwohner Christian Ludwig Gellers – beide Teil der Altenbrückertorwache – wurden in das offene Feld geschleppt und erschossen.
Morand selbst kam nach Lüneburg und befahl die Ablieferung sämtlicher Waffen. Dörnberg lag mit seinen Truppen kurz vor Lüneburg, das Altenbrückertor und das Lüner Tor waren umkämpft, dann konnten die Russen und Lüneburger Jäger über den Sand zum Markt vorstoßen, während der Widerstand im Wasserviertel stärker war. Im Balken des Eckhauses Am Stintmarkt 7 steckt noch eine Kanonenkugel aus jener Zeit. Auf Seiten der Franzosen kämpften auch in Lüneburg viele mit den Franzosen verbündete Sachsen. Diese Schlacht vom 2. April 1813 gilt als das erste siegreiche Gefecht in den Befreiungskriegen. Morand befahl den Abzug durch das Neue Tor und versuchte von Reppenstedt aus eine erneute Einnahme Lüneburgs. Er versprach seinen Soldaten die Plünderung der Stadt. In diesem Zusammenhang hatte Johanna Stegen ihren „heldenhaften“ Einsatz, als sie preußische Füsliere mitten im Gefecht mit Patronen versorgte. Bei den Gefechten starben 130 Menschen, mehr als 200 Verwundete mussten versorgt werden.
Morand wurde zwischen Grimm und Mönchsgarten tödlich verwundet und starb wenig später in Boizenburg. Über 1.700 Sachsen und rd. 1.000 Franzosen wurden als Kriegsgefangene nach Berlin geleitet, u.a. wurde Dörnberg mit seinem Stab in Lüneburg einquartiert. Bereits am 3. April rückte Dörnberg ab, wieder flüchteten die Lüneburger, die die Rache der Franzosen fürchteten. Unter der Führung von Marschall Davout rückten die französischen Truppen von Bremen her heran. Am 4. April wurde Lüneburg erneut von Franzosen besetzt, 3.500 Soldaten wurden in Lüneburg unter Führung von General Montbrun einquartiert. Montbrun verlangte eine Liste der 100 angesehensten Bürger, die als „Geiseln“ in die Ritterakademie gebracht wurden, um binnen 48 Stunden eine Liste derer ausgehändigt zu bekommen, die sich gegen den Kaiser empört hatten. Anderenfalls würde jede 10. Geisel hingerichtet werden.
Eine schon am 5. April in französisch und deutsch abgefasste Botschaft von Dörnberg machte aber Eindruck: Auf seinen Befehl hin seien Hannoveraner, damit auch Lüneburger, zu Rebellen geworden und jegliche Tötung würde ebenso an französischen Kriegsgefangenen vollzogen werden.
Am 8. April wurden die Geiseln frei gelassen – dieser Tag wurde als Rettung aus feindlicher Gewalt noch jahrelang gefeiert. Bereits am 9. April zog Montbrun aus Lüneburg wieder ab, schon am Nachmittag zogen die ersten Kosaken ein.
Hamburg war noch bis zum 25. Mai von Franzosen besetzt – und immer wieder drohte auch eine erneute Besetzung Lüneburgs. General Sebastiani, ein Landsmann und Vorkämpfer Napoleons, rückte am 27. April in Lüneburg ein, seine Division wuchs auf 8.000 Mann an. Er forderte eine sehr kurzfristige Versorgung der Truppen und drohte mit einer Brandschatzung der Stadt, am 28.4. kam Davout nach Lüneburg.
Da die Elbe von den Verbündeten bedroht war, zogen die französischen Truppenverbände über Lüneburg. Die Lüneburger Häuser wurden nach Kornvorräten durchsucht, 200 Bürger mussten eine Zwangsanleihe zeichnen. Der Bürgermeister Maire Lopau wurde verhaftet und erst wieder frei gelassen, nachdem 300 Schanzgräber für die Festungswerke in Hamburg gestellt wurden.
Am 18. Juni erschien ein Dekret Napoleons aus Dresden, wonach alle bewegliche und unbewegliche Habe der innerhalb von 14 Tagen nicht Zurückgekommenen der Beschlagnahme verfiel – die Herren Krukenberg, Estorff u.a. wurden als Feinde des Reichs geächtet, auf ewig verbannt, ihr Gut beschlagnahmt.
Eine ansteckende Krankheit forderte u.a. den Tod des Arztes Dr. Barckhausen. Vergeblich versuchten die Lüneburger, den Ratssilberschatz in Hamburg zu verkaufen – es fand sich kein Käufer.
Am 17.9. rückten die letzten Franzosen nach Hamburg ab. Der russische General Tettenborn zog in Lüneburg ein, hinterließ aber nur eine kleine Truppe, die am 22.10. tatsächlich noch einmal von 600 Franzosen überrumpelt werden konnte, die aber ihrerseits schon einen Tag später die Stadt wieder verlassen mussten.
Am 12.11.1813 wurde Bürgermeister Krukenberg und mit ihm der ganze Magistrat feierlich in Amt und Würden eingesetzt. Die alte Magistratsverfassung, noch ganz wesentlich auf den Rezessen von 1619 und 1639 beruhend, trat wieder in Kraft. Nach der Restauration der Zünfte verlor auch die Gewerbefreiheit ihre Gültigkeit. Das Kaiserliche Rechtsbuch aus dem Jahre 1532, die “Carolina”, ersetzte von nun an den Code Napoleon.
Bis Februar 1814 hinein rückten nun immer wieder Truppen der Verbündeten durch Lüneburg – auch der Kronprinz von Schweden machte in Lüneburg Quartier, zeitweise müssen mehr als 10.000 Soldaten der verbündeten Streitmächte einquartiert werden – es waren also zeitweise mehr Soldaten als Einwohner in der Stadt. Am 9. April 1814 wurde die Einnahme von Paris bekannt gemacht. Am 11.11. 1814 wurde aus Anlass der Erhebung Hannovers zum Königreich ein Te Deum gesungen. Die Landung Napoleons am 1.3.1813 bei Cannes und die Kämpfe, die schließlich in der Schlacht von Waterloo (18. Juni) mündeten, hatten keine Auswirkungen auf Lüneburg.
Der Stadtchronist Reinecke schreibt: „Deutschland war wieder „das ärmste von allen Völkern Westeuropas“ geworden – insbesondere hatte das Kurfürstentum Hannover unter der „Pein der Fremdherrschaft“ leiden müssen“.
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